FluXmeister #28

Blog #28

Bock zum Gärtner oder Schildbürgers Puppenkiste

 

Wie kommt es, dass wir in einem Land zu einer Zeit leben, in der es uns nie besser ging, wir niemals ein so hohes Maß an persönlicher Freiheit genießen durften, wir Mensch unserer Entscheidungen sind und trotzdem möglich ist, dass wir mit Feindbildern wie Hornochsen durch die Manege getrieben werden?

Ist es wirklich wahr, dass ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat vom ‘enemy within’ redet? Vom Feind im Inneren? Für Flüchtlinge und sogenannte ‘illegale’ Einwanderer das Wort ‘Tiere’ verwendet und von Deportationen spricht? Und dieser ‘Mann’ – natürlich!!! – gefeiert wird von einer großen Anhängerschaft und sogar die Chance hat erneut Präsident der USA zu werden? Und sogar gemäßigte Stimmen – auch Menschen, die mir nahe sind – Argumente ins Feld führen, die mich positive Aspekte sehen lassen sollen. Die mir nachvollziehbar machen sollen, welch positive Dinge in Bewegung kommen und welche Missstände angesprochen werden. Ja, Schmähung, Diffamierung, Frauenfeindlichkeit, Sexismus, Rassismus, Ausgrenzung, Totalitarismus, ja Faschismus… letztendlich nützlich sind für die gute Sache? Er ist halt ein Entertainer…

Ihr könnt mich mal!

Ich weiß sehr wohl, was da läuft: den diskursiven Raum mit Grenzüberschreitungen fluten, so dass es zu kompliziert wird die Faktenlage zu klären. Durch die immer größere Grenzüberschreitung den Thrill-Faktor hochzuhalten: Was? Das hat er gesagt? Krass… Wollen wir dabei die Botschaften überhören, mit denen Grenzen des sagbaren verschoben werden? Geister heraufbeschworen werden, die wir bestens kennen sollten?

Und hier schlage ich die Brücke zu uns. Denn selbes passiert hier, nahezu überall in der westlichen Welt. Wir verteufeln die Vernunft und wir verherrlichen die Unvernunft! Wir verteufeln die Einsicht und verherrlichen die Intuition! Wir verteufeln den Verstand und verherrlichen die Irrationalität! Wir verteufeln die Logik und verherrlichen die Emotion! Wir verteufeln die Moral und verherrlichen die Egozentrik!

Warum tun wir das? Und warum folgen wir Narrativen – Erzählungen -, die uns eingeflüstert werden, die uns mittel- und langfristig nicht weiterhelfen und nur einer bestimmten Klientel nützlich sind, ja sogar oft kurzfristig gegen unsere Interessen gerichtet sind? Warum verteidigen wir eine Konsumgesellschaft, die Dinge hervorbringt, die wir weder kreativ mitgestaltet noch für unser Überleben tatsächlich benötigen? Konsumgüter, die wir verherrlichen, wie beispielsweise das Auto?

Natürlich sind da tolle Dinge bei. Und wenn man ein Freund von Maschinen oder was auch immer ist, dann sei jedem seine Freude daran gegönnt. Aber warum geht die Identifizierung damit so weit, dass die Formel

“Wir haben etwas im Portfolio, dass wir so sehr zu einem Sinnbild für persönliche Freiheit hochstilisiert haben, dass wir es jederzeit als Waffe nutzen können, um eine vernunftbezogene Debatte im Keim zu ersticken.”

aufgeht?

Nehmen wir den Klimawandel und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Alles spricht dafür auf erneuerbare Energie umzusteigen. Weder müssen wir mit Staaten, deren Rechtsverständnis wir bisweilen für fragwürdig halten – Fans totalitärer patriarchalischer Strukturen mal ausgenommen – Verträge abschließen und ihnen Kohle überweisen. Noch müssen wir am Spiel des immer noch kolonialen Ausbeutertums mitwirken, welches zu einem großen Teil Ressourcen plündert, an denen sich viele bereichern. Aber gewiss nicht die – und wenn eine korrupte Oberschicht -, die sich den Buckel dafür krumm machen.

Und zudem folgen wir einer Maxime, die in unserer Zeit prioritär ist: Verringerung von CO2-Ausstoß!

Natürlich hat jeglicher Umgang mit Ressourcen Schattenseiten. Nichts was über 8 Mrd. Menschen benötigen, um ernährt, mobil, gewärmt, geschützt und unterhalten zu sein bleibt ohne folgen! Eine Moral, die folgenlosen Umgang mit Ressourcen fordert ist eine Unmoral, da sie Realitäten verkennt. Aber eine Moral, die die Notwendigkeit zur Transformation nicht anerkennt, ist genau so eine Unmoral, da sie kommende Genrationen und ganze Bevölkerungsgruppen – Mitmenschen! – zu Verlierern erklärt!

Nun könnte man zynisch anmerken, dass der Planet sich so oder so um die Sonne dreht, ob mit Plastik im Meer, ob mit verreckenden Menschen auf der Flucht, ob mit ausgebeuteten NäherInnen in Bangladesch, etc pp.

Aber wir haben es nun mal in der Hand unsere Welt so zu gestalten, dass wir kooperativ handeln und nachkommenden Genrationen eine lebenswerte Welt hinterlassen. Stattdessen lassen wir uns vor den Karren derer spannen, die von bestehenden Wirtschaftskreisläufen profitieren und sich politische Geländegewinne sichern, indem sie uns ständig Schuldige runterbeten.

Und uns die ärmsten Schweine als Schuldige vorzuführen ist erbärmlich! Und für nicht minder erbärmlich halte ich die Tatsache, in den Chor derer einzustimmen, die sich gegen die richten, die kein Jota Macht oder Möglichkeit haben irgendetwas zu gestalten. Die davon abhängig sind, was wir ihnen zugestehen. Diese Menschen sollen Schuld sein? Diese Menschen nehmen uns etwas weg? Diese Menschen sind bisweilen genau so angeleitet von fragwürdigen Narrativen, die ich auch alles andere als teile. Aber schuldig im Sinne eines absichtsvollen Herabsetzens unseres Lebensstandards?

Wenn etwas schief liegt in unserer Welt, in unseren Systemen, dann kann das nur an denen liegen, die die Macht haben etwas zu gestalten. Die das Geld haben Einfluss zu nehmen. Simple as that!

Wir haben die Kraft und die Möglichkeit – und noch die Freiheit – mit zu gestalten und uns den Menschen zuzuwenden. Wenn wir uns wieder dahin treiben lassen, wo es gilt Menschen zu erniedrigen, ihre Würde nicht anzuerkennen, ihnen sogar ihre Existenzberechtigung abzuerkennen, nur damit wir uns wieder ein Stück weit mehr ermächtigt fühlen, dann…

Wo quakt der Nazi-Frosch? Im dritten Teich…

Wer ist wohl der größere Zyniker? Derjenige, der sich freuen darf, dass sich seine Konten füllen und seine Narrative funktionieren, Leute für die Verteidigung vermeintlicher Werte wie Verbrenner-Autos oder Öl- bzw. Gas-Heizungen auf die Straße zu treiben? Oder derjenige der wie ich, verächtlich Verbohrtheit mit Unverständnis begegnet und versucht gegen diese Narrative anzureden?

Ja, wirtschaftliche Not, Kosten, etc. pp. Sehe ich und ist relevant. Aber es macht einen Unterschied, ob ich die Notwendigkeit zur Transformation annehme und mich sachlich der Bewältigung der sich daraus ergebenden Herausforderungen stelle oder: hammer net, gibt’s net, fahr weider…

Herrgott, wir haben eine Transformation zu leisten. Dinge werden sich ändern. Welche Zeit, welches Leben kommt schon ohne Herausforderungen aus? Und natürlich soll das alles so gehen, dass wir nicht denken müssen, wir sind auf den Planeten geschissen worden, um das “richtige” spaßbefreite Leben zu führen. Aber wir sind auch nicht auf den Planeten geschissen worden, um uns einen Scheiß für das Gemeinwesen zu interessieren, bedenkenlos dem Hedonismus zu frönen und selbstverliebte Soziopathen zu verherrlichen.

Die Krux des Kapitalismus ist die Tatsache, dass er uns die autarke Möglichkeit für uns selbst aufzukommen genommen hat. Uns ist nur möglich zu überleben und uns Status zu erwirtschaften, wenn wir abhängig beschäftigt sind. Wir sind keine autarken Zentren mehr, die als Großfamilie ihr Feld bestellt, Viecher hält und sich selbst versorgt. Wir müssen uns einem Bildungssystem und Ausbildungen unterziehen, die uns in eine abhängige Beschäftigung bringen. So gibt es die Unternehmer und die Beschäftigten. Und natürlich Leute wie mich, die sich von beiden bezahlen lassen, weil sie die von mir angebotene Leistung als von Wert betrachten.

Dieses System bietet viele Vorteile. Zum einen den wohl bisher unerreichten Lebensstandard bis ans unterste Ende der Einkommenspyramide. Zum anderen das hohe Maß an persönlicher Freiheit. Aber es beinhaltet eben auch den Abgrund der sinnentleerten Tätigkeit, die man zu verrichten hat um sein Dasein zu fristen. Schwere oder viele Arbeit sind nicht das Thema. Arbeit, deren Sinn sich uns nicht erschließt, aus der wir keine Kraft beziehen, das ist Quell von Depression, Frust und Erschöpfung.

Und lasst uns verdammt nochmal nicht denken, dass wenn wir totalitär und ausgrenzend sind, das alles besser wird. Einen Scheiß wird es das.

Soll es soweit kommen, bis die Musik die ich liebe nicht mehr aufgeführt werden darf, weil es N-Musik ist? Weil es dem völkischen Charakter widerspricht?

Scheiße, mit unserer Demokratie stimmt was nicht, wenn es trotz unserer jüngeren Geschichte so leicht ist, uns bar jeder Vernunft wieder gegeneinander aufzuhetzen.

Verdammt…

 Noch immerhin mit Zorn

Joachim

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