FluXmeister #17

Blog #17

Die Geister meiner Vergangenheit

Das könnte jetzt was länger werden… Wer allerdings gerne bisschen checken möchte wo ich herkomme, was mich geprägt hat und mich bisweilen umtreibt, der ist herzlich eingeladen diesem Blog-Beitrag zu folgen.

Ihr kennt sicher die Momente, in denen ihr schlechte Gefühle bekommt. Wenn ihr Situationen erinnert, in denen ihr euch zutiefst peinlich benommen habt, in denen ihr zutiefst ungerecht und unfair ward, andere verletzt habt, euch selbst gedemütigt und erniedrigt vorkamt oder Situationen erlebt habt, die ihr nicht hättet erleben wollen – mit Eltern, in der Schule, mit Freunden oder gänzlich unvermittelt -, die in euch immer wieder – ausgelöst durch Gerüche, Gesichter, was auch immer – schlechte Gefühle erzeugen. Situationen, die ihr gerne in eurer Geschichte ungeschehen machen würdet, und in denen ihr euch wünscht anders gehandelt zu haben.

Diese Erinnerungen, die immer mit dem Gefühl der Unzulänglichkeit einhergehen, versuche ich dann wegzupfeifen oder irgendwie möglichst schnell aus dem Kopf zu bekommen. Wegpfeifen hilft allerdings wenig! Das sind die Momente, die tief eingeprägt sind, die sich je nach Gemütslage mehr oder weniger nach vorne drängen. Die durch Selbstreflexion nur bedingt zu befreien sind. Eigentlich nur therapeutisch oder in der Auseinandersetzung mit den Menschen, an die diese Erfahrungen oder Gefühle geknüpft sind.

Einige dieser Menschen, die in mir diese Schleier auslösen leben nicht mehr. Wie z.B. mein Vater oder meine Mutter. Hier hilft – und hat auch schon geholfen – nur therapeutische Hilfe, wenn es den Wunsch gibt diese Emotionen zu befreien. Manche Begegnungen lassen sich auch nicht einrichten. So gab es eine Zeit, in der mir die Befreiung eines Schleiers in Bezug auf meine erste Jugendliebe wichtig gewesen ist. Wir waren auch in Kontakt. Irgendwie scheine ich es verbockt zu haben; eine Begegnung war nicht erwünscht.

Und seit Tagen, wenn nicht Wochen, legt sich wieder häufiger ein Schleier über mein Gemüt. Und zwar in Verbindung mit meiner Zeit im Café Wojtyla. Hier habe ich prägende Zeiten erlebt. Das fand alles im Zeitraum von etwa meinem 16. bis 20. Lebensjahr statt. Gekifft, gevögelt, gesoffen, musiziert. Nicht unbedingt in der Reihenfolge, aber alles im Übermaß. Und noch einiges mehr, was mich hätte wegkippen lassen können. Ich war der Großmannssucht verfallen und habe mich bisweilen benommen wie ein Arsch! Ich war aber auch schon immer sehr kreativ und hatte – sicher auch bedingt durch frühe tiefgreifende Verluste – schon immer eine Tiefe, die mich sehr gründlich mit mir und der Welt an sich und im besonderen hat auseinandersetzen lassen.

Meine Kreativität und meine Art der Auseinandersetzung war sicher auch inspirierend für einige Menschen in meinem Umfeld, wie sie mir an vielen Stellen Inspiration waren. Es gab aber auch Demütigungen, die wie so oft, nicht zwingend beabsichtigt, Wunden gerissen haben, die zum Teil nur notdürftig vernarbt sind. Hier gibt es eine Zeit, die noch tiefer geht: Meine frühkindliche Prägung. Die ist aber nicht Thema meines Blogs. Mir geht es um die Schleier, die im Moment mein Gemüt belasten. Und die betreffen meine Adoleszenz.

Im Wojtyla-Umfeld gab es viel Idealismus. Bestrebungen die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wie das bei Linken aber gerne üblich ist, nicht dadurch, dass man sich gegenseitig bestärkt und bestätigt, sondern auch gerne indem man sich aneinander abarbeitet. Aber nicht die Kritik macht die Welt zu einem besseren Ort. Nicht die Vorhaltung ungenügend zu sein. Als Mann, als Teil der Gesellschaft, als zu unpolitisch, als zu lethargisch, als zu dominant, als was auch immer. Das schafft verkopfte Selbstoptimierer. Die je nach Intellekt immer perfider lernen ihre Untiefen zu verschleiern. Was die Welt zu einem besseren Ort macht ist Liebe! Und Liebe ist ihrem Wesen nach anerkennend, bestätigend, vergebend.

Das hat lange gedauert bis ich das verstanden habe. Denn in Bezug auf Kritik war ich gerne an vorderster Front. Allerdings – und das war das was mich zum Solitär in der Wojtyla-Gemeinschaft gemacht hat – nicht nur in Bezug auf das Schweinesystem und überkommene Gesellschafts- und Rollenbilder. Sondern eben auch in Bezug auf Ideale.

Unsere Geschichte ist eine Geschichte der Gewalt und der Kriege. Dinge werden in Besitz genommen und erobert. Anschließend verteidigt oder verloren. Und darüber entscheiden immer wieder Eliten, die sich herausbilden. Bis sie entweder entmachtet werden oder sich überleben. Und dann bilden sich die nächsten Eliten heraus. Und zwar nicht mit Menschen, die jenseits der Erfahrungswelten agieren, die mir geläufig sind. Sondern mit Menschen wie du und ich! Und vielleicht sogar mit Menschen, die früher im Café Wojtyla palavert haben und mittlerweile mit am Rädchen drehen. Und genau das war mir als junger Mann schon klar.

Eine ziemlich unangenehme Position für sämtliche Beteiligten. Einhergehend mit Arroganz und Selbstherrlichkeit war ich so wahrscheinlich auch nicht der angenehmste Spiel- und Diskussionspartner. Aber daran habe ich gearbeitet. Schon damals und ich tue es immer noch. Und siehe da, es wandelt sich mehr und mehr in Demut. Noch viel lernen er muss!

Aber ich war bei den Schleiern, die sich über mein Gemüt legen. Damals gab es nicht zwingend die Unterstützung für meine Haltung oder für meine Kunst. Das Wojtyla-Umfeld hat mich wahrgenommen als einen selbstverliebten Drogi, der gut Gitarre spielen kann. Natürlich gab es auch ein Umfeld von LeuZ, die mehr in mir gesehen haben. Aber die spielen in Bezug auf meine Schleier keine Rolle ;-).

Nein, es waren die LeuZ, mit denen ich schon seinerzeit darüber diskutieren musste, dass die Dinge, die aus ihrer Sicht frei von Kommerzialität sein sollten genau die Dinge sind, von denen ich Leben will! Ich will tiefe Auseinandersetzung, Kreativität, eine andere Form des Umgangs und des Arbeitsalltags nicht in meiner Freizeit. Das habe ich als Widerspruch empfunden. Liest sich ja auch so! Und wie geht das in unserem kapitalistischen System anders als für die Dinge, die man liebt und mit denen man sich sein Leben verdienen will, einen Gegenwert zu verlangen?

Ich wollte nicht warten bis die Gesellschaft komplett revolutioniert und alle Ideale verwirklicht sind. Utopist war ich nie. Eher Zyniker. Gewiss: Fairness und Gerechtigkeit sind hohe Werte für mich. Und ich arbeite immer transparent, offen und mit dem Angebot mit zu gestalten. Trotzdem war mir früh klar, dass wenn ich jetzt als Künstler eine Zukunft bauen will, dann geht das nur dadurch, dass ich meiner künstlerischen Leistung einen auch kapitalistischen Wert beimesse.

Meine Haltung führte dazu, dass ich als zu unpolitisch – im Sinne von zu wenig bereit zur Revolution – die Möglichkeit abgesprochen bekam im Bauwagendorf in Rodenbach zu leben. Diese Haltung führte dazu, dass ich als zu kommerziell im Umgang mit meinen Interessen wahrgenommen wurde. Bis hin zu sehr verletzenden Momenten. Vieles lag ziemlich tief und nicht mehr präsent.

Jetzt kam es aber dazu, dass eine Veranstaltung eine Wiederbelebung erfährt, die ganz wichtig war für das Wojtyla-Umfeld: Das Open Ass. Eine Open Air – Veranstaltung, die sämtlichen LeuZ ein Forum bot. So auch mir seinerzeit. Ich war zunächst skeptisch, ob ich mir vorstellen kann den ganzen Menschen wieder zu begegnen. Aber ich dachte doch recht schnell, dass hier durchaus die Möglichkeit besteht mich mit meiner Vergangenheit auszusöhnen und sicher auch toll sein kann sich wieder zu sehen.

Wichtig wäre für mich in dem Kontext gewesen für FluXmeister ein Forum zu bekommen. An sich dachte ich tatsächlich, dass es auch eine Selbstverständlichkeit sei, als altgediente inspirierende Persönlichkeit des Wojtyla dieses auch zu bekommen. Aber hier war ich offensichtlich nicht der erwachsene Joachim, sondern diese Erwartungshaltung ergab sich aus meiner frühen bisweilen frustrierenden Geschichte mit diesem Umfeld. Sicher rational betrachtet eine vermessene Erwartung. Trotzdem hat mich die Mail mit der Absage ziemlich verletzt. Die Schleier ausgelöst von denen ich hier berichte. Wieder sah ich mich in dem Umfeld nicht wahrgenommen und zurück gewiesen.

Auch wenn mich das triggert, und  ich so drei Jahrzehnte zurück gehe. Und der junge Joachim schreien könnte: Ihr Pisser! Ihr Ignoranten! Ihr selbstverliebten Arschlöcher, die ihr euch in 10 Jahren in irgendwelchen Vorstandsetagen den Arsch wund verdient! Aber hey, das sind junge Menschen, denen meine Geister aus der Vergangenheit total wurscht sein können und auch sollen. Sie sollen ein geiles Fest feiern!!!

Und ich übe noch ein wenig Demut ;-).

Übrigens nehmen mir Verpflichtungen über das gesamte Wochenende die Entscheidung ab, ob ich trotzdem hingegangen wäre. Ja, wahrscheinlich wäre ich das, aber ob ich es hätte genießen können? In jedem Fall ringe ich mit den Geistern meiner Vergangenheit. Und das ist allemal besser als sich vor ihnen zu verstecken!

Liebe Grüße

Joachim

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